Mit dem aktuellen Budget müssen alle den Gürtel enger schnallen. Das hatte Finanzminister Markus Marterbauer in seiner Rede am Dienstag im Nationalrat betont. Wirklich alle?
Seit Mittwoch weiß Österreich: Nein, denn der ORF bekommt eine Ausnahme. Konkret darf er nicht "nur" 710 Millionen Euro aus den Beitragseinnahmen frei verwenden. Von 2027 bis 2029 stehen dem Küniglberg noch einmal 35 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Einzige Voraussetzungen: ORF 3, Sport Plus und das Radiosymphonieorchester müssen erhalten bleiben.
Und der ORF muss "sparsam" wirtschaften. Was mit dem Ausdruck "sparsam" gemeint ist, konnte das Medienministerium auf "Heute"-Anfrage allerdings nicht näher definieren. Experten schütteln den Kopf: "Der ORF arbeitet nicht sparsam, bekommt dafür zusätzliches Geld und muss im Gegenzug ,sparsam arbeiten'. Das ist absurd."
Doch selbst das 35-Millionen-Euro-Zuckerl scheint nicht auszureichen. Darauf lässt zumindest eine Aussendung des ORF-Redaktionsrats vom Donnerstag schließen. Unter dem Titel "Weniger Journalismus ist keine Lösung!" warnt der vor einem "Aushungern der Medienbranche im Allgemeinen, des ORF im Besonderen, sowie einer Verwässerung des Gebotes der Unabhängigkeit der ORF-Gremien".
Wörtlich heißt es in der Aussendung: "Der ORF fährt seit vielen Jahren einen Sparkurs mit einem deutlichen Abbau von MitarbeiterInnen. Mit dem aktuellen Gesetz wird die Finanzierung über sechs Jahre (!) eingefroren. Da in diesem Zeitraum mehr als 550 Millionen Euro eingespart werden müssen, ist ein massiver Kahlschlag bei Programm und Personal zu erwarten. Durch Programm-Kürzungen gehen qualitätsvolle Inhalte für das Publikum verloren."
Es gehe "völlig an der Realität vorbei" zu glauben, Qualität und Quantität des Programms könnten mit deutlich weniger Geld und Personal aufrecht erhalten bleiben. "Und es widerspricht den jüngsten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes. Demnach müssen dem ORF ausreichend finanzielle Mittel zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages zur Verfügung stehen. Radikale Kürzungen, wie sie das aktuelle Gesetz dem ORF auferlegt, sind mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen", schreiben die Redakteure.
Demnach wäre eine erhebliche Reduktion des Programmauftrages verfassungswidrig. "Wir appellieren daher an die Regierungskoalition und den Medienminister (Andreas Babler, Anm.), den angekündigten zweiten Schritt der ORF-Reform im Sinne des VfGH rasch umzusetzen und den ORF verfassungsrechtlich abzusichern."
Es ist übrigens durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Regierung das Füllhorn über den Küniglberg nach diesem Appell erneut ausschüttet. Denn als im März bekannt wurde, dass der ORF nur 710 statt 750 Millionen Euro aus den Beitragseinnahmen verwenden darf, folgte der Aufschrei. Die Folge: das aktuelle 35-Millionen-Euro-Geschenk …