Wiederaufbau von Blatten

Schweizer Dorf ausradiert – wie es nun weitergehen soll

Anwohner und Gemeindepräsident wollen ihr Dorf nicht aufgeben. Wie ein Wiederaufbau aussehen könnte, ist noch unklar. Teuer wird er auf jeden Fall.
20 Minuten
01.06.2025, 19:16

Noch ist die Gefahr im Lötschental nach dem gewaltigen Gletscherabbruch nicht gebannt. Hoffnungsvoll blickt Gemeindepräsident Mathias Bellwald aber bereits nach vorne. "Wir wollen Blatten neu aufbauen – wo, das kann ich Ihnen nicht sagen", sagte er am Freitagnachmittag an der Medienkonferenz des Führungsstabs.

Dazu steht jedoch schon jetzt fest: Die Räumarbeiten und der Wiederaufbau werden zum Großprojekt. Wim Nellenstein, Projektleiter Katastrophenhilfe Inland beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK), erklärt gegenüber 20 Minuten, wie der Wiederaufbau aussehen könnte und wie viel das Projekt kosten wird.

Räumarbeiten

Bevor an einen Wiederaufbau gedacht werden kann, gilt es, sich um die Hunderte Millionen Kubikmeter Geröll im Tal zu kümmern. Dafür wiederum müsse zuerst abgewartet werden, bis die Lage sicher genug ist, um mit den Aufräumarbeiten zu beginnen.

"Die Aufräumarbeiten werden voraussichtlich das Ziel haben, ein neues Flussbett für die Lonza zu schaffen und den Zugang zum Tal wiederherzustellen", so Nellenstein. Angesichts der großen Massen an Schuttmaterial werde dies allerdings eine Herausforderung sein.

Szenario 1: Wiederaufbau vor Ort

In diesem Fall würden die zuständigen Naturgefahren-Stellen der Behörden die Gefahrenkarte neu definieren. "Der Wiederaufbau kann nur dort erfolgen, wo es laut dieser Beurteilung auch sicher ist." Dabei sei es fraglich, ob das Dorf an genau der gleichen Stelle wieder aufgebaut werden könnte.

Die Kosten für den Wiederaufbau der privaten Häuser übernähmen die Gebäudeversicherungen. Da es im Kanton Wallis keine obligatorische kantonale Gebäudeversicherung gibt, sind dies private Versicherungsgesellschaften.

Unversicherte könnten auf dem Schaden sitzen bleiben

Im Kanton Wallis gibt es keine Pflicht, eine Gebäudeversicherung abzuschließen. "Ich gehe zwar davon aus, dass die meisten eine Gebäudeversicherung haben. Im schlimmsten Fall bleiben die Betroffenen jedoch ohne entsprechende Versicherung auf dem Schaden sitzen", erklärt Felix Schneuwly, Versicherungsexperte bei Comparis, gegenüber 20 Minuten.

"Teilweise entstehen dabei Unklarheiten, ob auch das jeweilige Land und Umland der privaten Grundstückeigentümer finanziert wird", sagt Nellenstein. Je nachdem kämen hier Beiträge der öffentlichen Hand ins Spiel oder könnten Hilfswerke wie das Rote Kreuz oder Caritas Beiträge sprechen.

Szenario 2: Umsiedlung der Betroffenen

Wird das Dorf aufgegeben, würde das eine Umsiedlung der Bewohner von Blatten bedeuten. Die Behörden werden klären müssen, unter welchen Bedingungen dies möglich wäre. Denn: "Es kann eine Herausforderung sein, geeignete Grundstücke zu finden." Auch hier wäre der Wiederaufbau bei Privatpersonen durch ihre Gebäudeversicherungen gedeckt.

Für Umsiedlungen kann der Bund den Kantonen, gestützt auf die Wasserbau- und die Waldverordnung, die effektiv entstandenen Kosten für den Abbruch und die Verlegung von gefährdeten Bauten und Anlagen an sichere Orte abgelten, wie das Bundesamt für Umwelt ergänzt.

Ähnliche Pläne sind in Brienz im Gange. Auch dort droht ein Erdrutsch das mittlerweile evakuierte Dorf zu zerstören. Gemeindepräsident Daniel Albertin stellte Anfang Mai deswegen die Zukunft des Dorfes infrage: "Falls Brienz-Brinzauls nicht immer sicher und für Bewohner und Gäste kein zugänglicher Ort mehr ist, darf man nicht um jeden Preis an der Siedlung festhalten."

Kosten im zehnstelligen Bereich

Ob ein Wiederaufbau am gleichen Ort oder in der Nähe möglich ist, würden die Behörden auf verschiedenen Stufen – Gemeinde, Kanton und vielleicht auch Bund – entscheiden. "Dies auf Grundlage der Analysen der Fachexpertinnen und Fachexperten", erklärt Nellenstein. Erfahrungsgemäß müsse mit mehreren Jahren gerechnet werden, bis alle Arbeiten abgeschlossen sind.

Zusätzlich zu den Kosten für den Wiederaufbau der Häuser seien möglicherweise auch neue Schutzeinrichtungen wie Dämme und Geschiebeauffangbecken nötig. "Solche Infrastrukturmaßnahmen werden durch Bund und Kanton zum Teil finanziert. Die Restkosten für betroffene Gemeinden sind meistens erheblich."

Der Versicherungsverband SVV rechne gemäß einer aktuellen Mitteilung in jedem Fall "mit mehreren hundert Millionen Franken", sagt Nellenstein. Hauptsächlich würden diese durch Versicherungen und die öffentliche Hand getragen. "Wir als Hilfswerke unterstützen subsidiär die Betroffenen finanziell, nachdem Versicherungen, öffentliche Hand und Dritte ihre Beiträge gesprochen haben." In der finanziellen Katastrophenhilfe hat das SRK eine Partnerschaft mit Caritas Schweiz und koordiniert ebenfalls eng mit der Glückskette.

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