Am letzten Freitag war es soweit. Ohne vorherige Anmeldung erscheinen auch in Kettlasbrunn (Bezirk Mistelbach) Behörden des Landes Niederösterreich. Der Grund: Sie wollen prüfen, ob es am Gelände der Deponie für hochgiftige Reststoffe zu Verstößen gegen Umweltauflagen gekommen ist.
Die aktuellen Vorwürfe durch Greenpeace reihen sich in ein längeres Geschehen ein, denn genau so eine Kontrolle, wie letzten Freitag, fand schon letzten Dezember statt: Durch Hinweise aus der Bevölkerung konnte Greenpeace am Gelände der Deponie "Am Lehmofen" bei St. Pölten den "größten Deponie-Skandal in Österreichs jüngerer Geschichte" aufdecken.
Nur Tage später erfolgten Probeschürfe durch die Behörden. Die massiven Vorwürfe bestätigten sich – über Jahre hinweg wurde Müll vom Betreiberunternehmen unaufgearbeitet verscharrt.
Die Zöchling GmbH wurde zur kompletten Räumung der Deponie, mit geschätzten zwei Millionen Tonnen Müll, verdonnert. Das Unternehmen klagte über den "unverhältnismäßigen Schritt" in einer Aussendung. Man fürchte um die Anrainer, die einer Geruchs-, Staub- und Lärmbelastung ausgesetzt werden würden.
„Deponien sind nicht dazu da, Profite abzuwerfen, sondern umweltgefährliche Substanzen sicher für die Ewigkeit zu verwahren.“GreenpeaceUmweltschutzorganisation
Im Februar, nur kurz nach dem ersten Fall, berichtete "Heute", dass eine zweite Deponie der Zöchling GmbH – dieses Mal nahe der 3600-Einwohner-Gemeinde Pyhra – unter Verdacht steht, das Trinkwasser zu gefährden. Dann, vor wenigen Tagen, eine weitere Überraschung: Plötzlich Feuer auf der Deponie bei St. Pölten, die geräumt werden soll. Ein Großeinsatz mit insgesamt sechs Feuerwehren folgte.
In Kettlasbrunn ortet Greenpeace jetzt den nächsten Skandal. Die Umweltschutzorganisation spricht von "Hinweisen auf unsachgemäße Behandlung" teils hochgiftiger Substanzen. Der 500-Einwohner-Ort im nordöstlichen Weinviertel, unweit der tschechischen Grenze, ist durch Weinanbau geprägt. Sollte hier etwas ins Grundwasser gelangt sein, hätte es massive Folgen für die Bauern.
"Greenpeace nimmt eine unangekündigte Kontrolle der niederösterreichischen Behörde am Standort Kettlasbrunn am 8. Mai, die sie durch eine Anzeige ausgelöst hat, zum Anlass, um sich weiter medien- und öffentlichkeitswirksam zu inszenieren", klagt die Zöchling GmbH in einer aktuellen Aussendung.
„Enormes Gefahrenpotential für Mensch und Natur“Stefan StadlerGreenpeace, Investigativ-Team
"Von dem Giftmüll, der in Kettlasbrunn angeliefert wird, geht ein enormes Gefahrenpotential für Mensch und Natur aus", sagt hingegen Greenpeace. "Wenn der Giftmüll nicht sachgemäß behandelt und deponiert wird, sind die Folgen verheerend", warnt Stefan Stadler, der Sprecher des Investigativ-Teams. Seit Jahresbeginn sei man immer wieder vor Ort gewesen. Auch in Kettlasbrunn habe man Hinweise aus der Bevölkerung erhalten.
Mehr als 20 hochgiftige Abfallarten werden in den kleinen Ort gebracht, behandelt und anschließend deponiert. Es handelt sich um gefährliche Industrieabfälle, die bei falscher Handhabung lebensgefährlich sind. Einige der toxischen Verbindungen können beim Einatmen oder bei Hautkontakt tödliche Vergiftungen verursachen, sind selbstentzündlich oder reagieren mit Wasser.
"Wildtiere wie Vögel, Hasen oder Rehe können ungehindert in das Gelände eindringen und sich frei bewegen", warnt Greenpeace: "Wenn Regen auf die Deponie prasselt, dringt das Wasser in die Deponie ein, geht von der Oberfläche durch die deponierten Gefahrenstoffe und mündet in einem offenen Sickerwasserbecken." Das kontaminierte Sickerwasser verdunste dort, sagen die Umweltschützer. Flüchtige Umweltgifte, wie Quecksilber oder stark umweltschädliche Salze, würden dadurch in die Luft gelangen und in der Umgebung kondensieren.
Im Randbereich des Fundaments der Deponie, habe man außerdem Verbrennungsschlacken, unter die Plastikverpackungen und Metalle aus dem Hausmüll gemischt waren, gefunden. Daneben PET-Flaschen, Kinderspielzeug und Kunststoffe, wie sie im Bauwesen verwendet werden. Sogar auf den umliegenden Feldern habe man viele Schnipsel von Verpackungsmaterial gefunden. Das ist für Greenpeace ein deutlicher Hinweis, dass hier etwas nicht stimmt.
Nach dem aktuellen Vorfall fordert Greenpeace jetzt, dass jetzt alle Standorte der Zöchling GmbH kontrolliert werden sollen: "Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner muss für eine rasche Aufklärung sorgen und allfällige Missstände beseitigen lassen."
Heftig fällt auch die Kritik der Grünen aus: "Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf trägt als Zuständiger die Verantwortung für diese Umweltpolitik des Wegschauens. Wenn eine Deponie nach der anderen in unserem Bundesland ins Zwielicht gerät, ist das kein Zufall, sondern das Resultat eines Systems, das wirtschaftliche Interessen über den Schutz von Mensch und Natur stellt", sagt Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im niederösterreichischen Landtag.
Wieder sei die Firma Zöchling betroffen. Wieder habe es zivilgesellschaftlichen Druck gegeben, damit die Behörden endlich handeln. Sowohl die Grünen, als auch Greenpeace, fordern ein Ende der "genehmigungsfreudigen Praxis" des Landes Niederösterreich.
Alleine in Kettlasbrunn sei das genehmigte Deponievolumen verdreifacht worden, die Menge an behandeltem Giftmüll sogar verachtfacht – innerhalb von nur zwei Jahren. "Hier wird nicht geprüft und abgewogen, hier wird durchgewunken", kritisiert Helga Krismer. Die Umwelt dürfe nicht länger die Deponie der ÖVP sein, sagt die Klubobfrau der Grünen.
Den Anstieg der Mengen an Reststoffen könne man nicht dem Unternehmen vorwerfen, hieß es hingegen von der Zöchling GmbH: "Wir arbeiten im Schulterschluss und im besten Einvernehmen mit der Experten des Landes zusammen."
Das Unternehmen sicherte gegenüber der Behörden-Seite volle Unterstützung zu. "Haltlose" und "rein spekulative Vorwürfe" würden aber den Ruf des Unternehmens gefährden.