Reden wir heute einmal nicht über Wien. In Wahrheit ist es ja, was Schule angeht, nirgendwo besser – der Mantel des behördlichen Schweigens ist halt oft ein dickerer. Den öffnete jetzt wieder einmal der Rechnungshof, der die schulischen Zustände in Tirol und Oberösterreich beleuchtete.
Kurzformel: Ausgerechnet in der Pflichtschule serviert man dort unseren Kindern von Jahr zu Jahr mehr Lehrer, die 1) gar keine fertig ausgebildeten Lehrer sind, 2) wenn sie es sind, Fächer unterrichten müssen, die sie nicht gelernt haben, und dann 3) nur Teilzeit in der Klasse stehen.
Zwei Zahlen herausgegriffen: In Tirols Mittelschulen wurde fast jedes zweite Schulfach (46 Prozent) "fachfremd" unterrichtet, in Oberösterreich mehr als jedes Dritte (35 Prozent). Das ist keine Lappalie, das ist ein Skandal auf dem Rücken zigtausender Kinder, denen man ein Recht auf (Aus-)Bildung durch Fachleute verwehrt. Die zweite Zahl erschüttert mich (persönlich) aber ebenso. Bitte lesen Sie weiter!
Note: Nicht genügend
Wer heutzutage Lehrer ist, ist es immer öfter nur noch "halb". Ob der Trend zur Teilzeit – Lehrerjargon: zur "verminderten Lehrverpflichtung" – auf die viel zitierte Work-Life-Balance zurückzuführen ist oder darauf, dass der Lehrberuf inzwischen derart auspowert, dass ihn viele Vollzeit nicht mehr schaffen, weiß ich nicht. Was ich weiß, ist: Wenn in Tirol und Oberösterreich knapp jede zweite Lehrperson nur noch Teilzeit arbeitet (satte 40 Prozent waren das 2023/24, im "Rest" Österreichs nicht anders), dann hat das mit "Balance" nichts mehr zu tun, dann können sie noch so sehr nach Quereinsteigern rufen, dann zerstört das unser Bildungssystem.
Die Kleinen brauchen vor allem echte Bezugspersonen und nicht Leute, die sich im Stundentakt die Klassentürklinke in die Hand geben. Außerdem kostet es Millionen: Denn während die einen oft nur 10 Wochenstunden in der Klasse stehen, machen die anderen sündhaft teure Überstunden (Schul-Sprech: Mehrdienstleistungen): Im Vorjahr allein in Tirol und Oberösterreich so viele, wie sie 7.000 Vollzeitstellen entsprochen hätten.
Wie ich dem Kurier entnahm, richtete zu Christi Himmelfahrt der Wirtschaftsminister einen Appell an die Bevölkerung, sich künftig wieder der 38,5- bis 40-Stunden-Woche zu besinnen. In den letzten 15 Jahren sei die de-facto-Arbeitszeit nirgendwo in Europa mehr gesunken als in Österreich, man werde versuchen, "Normalarbeit attraktiver" zu machen.
Glattauer gibt Noten
Niki Glattauer war 25 Jahre Lehrer und Schuldirektor in Wien. Er hat bisher 13 Bücher veröffentlicht, alle zum Thema Schule wurden Bestseller. Jeden Montag vergibt er in einer Kolumne für "Heute" Schulnoten. Mail bitte an: [email protected]
Damit könnte der Bildungsminister beginnen: Zum Beispiel, indem pensionsberechtigte LehrerInnen, die bereit sind weiterzumachen, nicht mit Neueinsteiger-Löhnen abgespeist werden. Oder indem man Leute wie Maria St. ernst nimmt. Sie schreibt mir: "Meine Tätigkeit ist Nachmittagsbetreuung an einer Volksschule. Man muss sich schlagen lassen, treten, niemand traut sich den Mund aufzumachen, weil sonst von der WhatsApp-Gruppe der Eltern der Shitstorm kommt. Es ist eigentlich nicht auszuhalten."
Note: Sehr unbefriedigend