"Hab mich ruiniert"

Wiener verspielt halbe Million Euro in Online-Casinos

Vom erfolgreichen Geschäftsmann zum Sozialfall: Martin M. verzockte in Online-Casinos über eine halbe Million Euro. Nun muss er bei null anfangen.
Christine Ziechert
17.03.2025, 06:30

Das Leben von Martin M. (Name geändert) war vor etwa fünf Jahren perfekt: "Ich habe mich vom kleinen Angestellten zum Geschäftsführer in einem Unternehmen hochgearbeitet. Ich war sehr erfolgreich und habe sehr gut verdient – etwa 150.000 Euro im Jahr", erzählt der Wahl-Wiener im Gespräch mit "Heute".

Doch der Schein trog: Denn am Abend suchte der Unternehmer zum Ausgleich seiner 60-Stunden-Woche eine "entspannende" Tätigkeit: "Ich wollte einfach Stress ablassen und habe angefangen, im Internet zu spielen. Mein 'Pech' war, dass ich gleich beim ersten Mal 25.000 Euro gewonnen habe – mit einem Einsatz von 200 Euro", berichtet Martin M.

„Ich habe überall gespielt. Es ist wirklich eine Krankheit, man denkt an nichts Anderes“
Martin M.verfiel der Spielsucht

Angespornt durch dieses Erfolgserlebnis entwickelte sich die anfängliche Spielfreude schleichend zu einer ausgewachsenen Spielsucht: "Du beginnst mit kleinen Summen – 100, 200 Euro – und irgendwann sind es dann 50.000 Euro. Du kannst auf Knopfdruck 10.000 Euro gewinnen, das sind unfassbare Summen. Rational habe ich gewusst, dass das nicht gut ist, aber trotzdem habe ich immer mehr Geld eingezahlt."

Schon bald bestimmte die Sucht sein Leben: "Ich habe überall gespielt, sogar in Meetings. Es ist wirklich eine Krankheit, man denkt an nichts Anderes. Ich hatte sogar körperliche Entzugserscheinungen. Irgendwann konnte ich meinen Job nicht mehr ausüben und habe ihn verloren. Auch meine 150 Quadratmeter große Dachgeschoß-Wohnung musste ich verkaufen. Wenn mich Freunde nicht aufgenommen hätten, wäre ich auf der Straße gelandet. Jetzt lebe ich auf 30 Quadratmeter", erinnert sich der Mittvierziger.

Über 500.000 Euro verspielt, 140.000 Euro Schulden

Martin M. verspielte insgesamt über 500.000 Euro bei über 15 illegalen Online-Anbietern (in Österreich hat nur "win2day" eine Konzession, Anm.): "Ich habe innerhalb von zwei Jahren mein ganzes Vermögen hineingesteckt, alles, was ich mir aufgebaut habe. Zusätzlich habe ich noch 140.000 Euro Schulden bei Banken und Versicherungen. Ich habe mich ruiniert, stehe vor dem Nichts. Man verliert alles – Freunde, Ansehen und Selbstwert. Mit Mitte 40 blicke ich nun auf die Scherben meines Lebens zurück", meint der gebürtige Westösterreicher.

Vor rund drei Jahren zog sich Martin M. dann schließlich "ganz allein raus": "Ich war zwar kurz in einer Spielsucht-Klinik, aber danach hatte ich keine Betreuung mehr. Ich bin positiv und versuche, wieder aufzustehen. Aber es ist sehr, sehr hart, da ich bis aufs Existenzminimum gepfändet werde. Dadurch ist es auch schwierig, einen neuen Job zu finden", erklärt der Wahl-Wiener, der sich nun in seiner alten Branche selbstständig machen möchte.

„Gerade suchtgefährdete Spieler sind bei diesen Casinos willkommen, denn sie bringen den meisten Umsatz“
Oliver PeschelRechtsanwalt

Doch dazu benötigt Martin M. Geld – er wandte sich daher an Rechtsanwalt Oliver Peschel, klagte viele seiner Spielverluste bei Online-Anbietern wieder zurück: "Viele Online-Casinos legen oftmals keinerlei Wert auf Spielerschutz – ganz im Gegenteil. Gerade suchtgefährdete Spieler, wie im hier vorliegenden Fall, sind bei diesen Casinos willkommen, denn sie bringen den meisten Umsatz. Die Folgen für diese Personen sind oftmals dramatisch", meint der Jurist.

Im Fall von Martin M. brachte Peschel bisher Klagen gegen zehn Online-Casinos ein – alle gingen positiv aus. Die Klagssumme beläuft sich auf insgesamt 250.000 Euro. Das Problem: Trotz gewonnener Klagen zahlen Anbieter wie "18bet.com", "casumo.com" oder "platincasino.com" mit Sitz in Malta das Geld nicht aus.

Rechtsanwalt Oliver Peschel vertritt Martin M.
Oliver Peschel

Online-Casinos nutzen Rechtslage aus

"Jährlich versickern hunderte Millionen Euro bei Online-Casinos in Steueroasen wie Malta, Zypern oder Curacao. Es braucht in Österreich eine umfassende Glücksspielreform mit einem streng regulierten Mehr-Lizenzsystem, wie es etwa in Deutschland oder Schweden bereits umgesetzt wurde. Die aktuelle Rechtslage wird von illegalen Online-Casinos schamlos ausgenutzt und schadet vielen Österreichern finanziell massiv", kritisiert Peschel.

Martin M. hofft dennoch auf eine Auszahlung, richtet einen Appell an den österreichischen Staat: "Die Behörden sollen ihre Arbeit machen. Mit wenigen Mausklicks sind diese Seiten gesperrt. Auch die Aufklärung für Jugendliche ist enorm wichtig. Es sollte viel früher davor gewarnt werden."

{title && {title} } cz, {title && {title} } Akt. 17.03.2025, 08:45, 17.03.2025, 06:30
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