Mitten im Freizeit-Paradies Prater wird ein 16-jähriges Mädchen brutal überfallen. Drei Jugendliche schlagen auf sie ein, treten nach, selbst als sie bereits am Boden liegt. Sie reißen ihr die Umhängetasche vom Körper, rauben Bargeld und Bluetooth-Kopfhörer – und filmen die komplette Szene mit dem Handy. Kurz darauf taucht das Video im Netz auf. Die Täter wirken stolz, fast belustigt.
Ein 14-jähriger Syrer wurde wenig später in einem Krisenzentrum festgenommen. Die Beute wurde sichergestellt, das Mädchen konnte ihre Tasche zurückbekommen. Ein 15-jähriger Iraker wurde ebenfalls identifiziert und ist inzwischen – nach Anordnung der Staatsanwaltschaft – ebenfalls festgenommen worden. Der dritte Schock: Bei einer weiteren Tatverdächtigen handelt es sich um ein 12-jähriges rumänisches Mädchen, das demnächst einvernommen wird.
Die Ermittlungen brachte noch eine brisante Wendung: Das Opfer soll die Täter gekannt haben. Laut Polizei kam es schon vor einigen Wochen zu einer Auseinandersetzung, bei der das spätere Opfer den 14-jährigen Hauptverdächtigen attackiert haben soll. Ob der Raub eine Revanche war, wird nun geprüft. Die beiden älteren Burschen wurden mittlerweile in eine Justizanstalt überstellt.
Der brutale Überfall ist kein Einzelfall. Die Kriminalstatistik zeigt ein erschreckendes Bild: In Wien gab es 2024 fast 12.000 Anzeigen gegen Kinder zwischen zehn und 14 Jahren – ein Anstieg von 23,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren wurden knapp 34.800 Anzeigen registriert. Auch hier stieg die Zahl erneut um vier Prozent.
48 Prozent aller jugendlichen Tatverdächtigen haben keine österreichische Staatsbürgerschaft. Die häufigsten Herkunftsländer laut Statistik: Rumänien, Deutschland und Syrien. Die Polizei spricht von einem "explosiven Mix" aus Perspektivlosigkeit, sozialem Druck und gruppendynamischer Gewaltbereitschaft – oft verstärkt durch soziale Medien.
Wie dramatisch die Lage ist, zeigt ein Zitat von Dieter Csefan, Leiter der Einsatzgruppe Jugendkriminalität im Bundeskriminalamt: "Die Top Drei der 'Systemsprenger' haben gemeinsam über 3.000 Straftaten begangen."
Doch Konsequenzen? Keine. Denn die Kinder sind unter 14 – in Österreich strafunmündig. Laut Polizei sind diese drei allein für fast ein Drittel aller Einbruchdiebstähle durch Minderjährige verantwortlich. Solche "Systemsprenger", so der Begriff, entziehen sich jeder Hilfe – und lachen oft nur über Behörden, Lehrer, Sozialarbeiter.
Kriminalsoziologe Hermann Kuschej vom Institut für Höhere Studien sagt im "ORF"-Interview: "Die Zunahme bei jüngeren Straftätern ist ein internationaler Trend." Jugendliche hätten heute durch soziale Netzwerke Zugriff auf Inhalte, die früher tabu oder schlicht unzugänglich waren. Gewalt wird nicht nur konsumiert, sondern nachgestellt – als Teil der Selbstdarstellung in der digitalen Welt.
Auch Thomas Marecek vom Verein Neustart bestätigt: "Die Gründe, warum Jugendliche straffällig werden, sind sehr individuell, es gibt aber gewisse Muster." Viele dieser jungen Täter hätten selbst Gewalt erlebt, lebten in instabilen Familienverhältnissen und hätten keinen geregelten Tagesablauf. Schule? Fehlanzeige. Tagesstruktur? Null. Stattdessen Straßenehre, Gruppendruck und Likes für Gewalttaten.
Die MA11, Wiens Kinder- und Jugendhilfe, sieht sich machtlos. Besonders bei unter 14-jährigen "Systemsprengern", die nicht bestraft werden können, aber andere ständig gefährden. MA11-Leiterin Ingrid Pöschmann erklärt: "Wir bräuchten eine bundesgesetzliche Änderung für geschlossene Einrichtungen. Es ist ganz wichtig, auf dem können wir dann alle Konzepte, all das, was notwendig ist, um diese Kinder auch zu erreichen, entwickeln."
Bislang fehlt jede rechtliche Möglichkeit, extrem gewaltbereite Kinder unter 14 in gesicherte Betreuung zu bringen – obwohl selbst Sozialarbeiter längst Alarm schlagen.