Im zweiten Anlauf haben sich ÖVP, SPÖ und NEOS auf eine gemeinsame Ampel-Regierung geeinigt, nun wartet ein hartes Sparpaket auf das Land, das einerseits ein drohendes EU-Defizitverfahren abwenden, andererseits aber nicht die ohnehin schwächelnde Wirtschaft abwürgen soll. Kann dieser Spagat überhaupt geschafft werden? Das schätzte Gabriel Felbermayr, Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), in der "ORF-ZIB2" ein.
Am späten Freitagabend erklärte der Wirtschaftsexperte im Studio bei Moderatorin Margit Laufer, die geplanten Sparmaßnahmen "treffen uns alle, soviel ist klar". Es habe Versuche gegeben, "die Last gerecht zu verteilen", "deswegen gibt es die Bankenabgabe, deswegen gibt es auch eine Mietpreisbremse". Doch auch wenn versucht worden sei, das Sparpaket sozial ausgewogen zu gestalten, müsse man sagen: "Die Schwächeren trifft es stärker".
Ärmere hätten weniger Möglichkeiten, "es sich zu richten" oder auf private Ersparnisse auszuweichen, so Felbermayr. Könne man da wenigstens auf bessere Zeiten hoffen, wenn die Annahmen der Regierung für die Sparmaßnahmen darauf fußen würden, dass die Konjunktur anspringe? "Naja, mit irgendetwas muss man rechnen", so der Experte, "leider waren die Prognosen der letzten beiden Jahre nicht sehr treffsicher", bremste er aber die Erwartungen.
"Immer neue Schocks" seien aufgetreten und entscheidend sei auch, was nun in der Ukraine passiere oder bei Zöllen, die "die kleine, offene Volkswirtschaft Österreich noch einmal ordentlich durchschütteln könnten", so Felbermayr. Deshalb seien Prognosen auch schwierig, aktuell werde mit Zahlen aus dem Oktober gerechnet, jenen Zahlen, die die EU-Kommission abgenickt habe. Ende März werde es neue Zahlen geben, dann werde man mehr wissen.
Gehe er von optimistischeren oder pessimistischeren Zahlen aus? "Jetzt sieht es so aus, als ob wir nach unten revidieren müssen", so Felbermayr. "Wir sind angewiesen auf die deutsche Konjunktur", wo bereits mit einem Nullwachstum gerechnet werde, hieß es. Springe die Konjunktur in Deutschland nicht an, werde es schwierig für Österreich, so der Experte. Und: Springe die Konjunktur nicht an, sei die Sorge, dass der Konsolidierungsdruck höher werde.
Dann wäre auch die Frage, ob der Druck nicht zu hoch werde, sodass man bewusst auf ein EU-Defizitverfahren setze. Stichwort Mietpreisbremse, könne die konjunkturell etwas bringen? Auf kurze Sicht werde es schon so sein, dass die Inflation etwas niedriger ausfällt, so der Experte. Für den Mietmarkt selbst "sind Eingriffe immer mit negativen Nebeneffekten verbunden", so Felbermayr, das Mietrecht müsste modernisiert werden, appellierte er.
Er sei immer ein Befürworter der Abschaffung der Kalten Progression gewesen, so Felbermayr dazu, ob es der falsche Zeitpunkt dafür gewesen wäre. "Die Kalte Progression ist kein gutes Mittel, um sich Geld zu verschaffen", es werde "der Finanzminister zum Komplizen der Inflation, die er eigentlich bekämpfen soll". Wolle man einen höheren Durchschnittssteuersatz haben, was in einer Krise Sinn machen könne, wäre ein Zuschlag auf die Einkommenssteuer denkbar.
Seine Bewertung des Regierungsprogramms? "Nach fünf Monaten bin ich sehr, sehr froh, dass es eine Regierung gibt." Außerdem sei er glücklich, dass es gelungen sei, Kompromisse zu schließen, was auch für die Finanzmärkte wichtig sein. Bei Kompromissen seien "nicht immer alle happy, und da gilt auch für mich", man könne aber "froh sein, dass es eine Regierung gibt" und "ich wünsche wirklich alles Gute, die Zeiten sind hart, das wird nicht einfach".