Nicht Wahlsieger Herbert Kickl, sondern Karl Nehammer hat vom Bundespräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. "Kickl findet keinen Koalitionspartner, der ihn zum Bundeskanzler macht", erklärte Van der Bellen seine Entscheidung.
Damit ist klar: Damit sich eine stabile Mehrheit im Parlament ausgeht, kommt unter ÖVP-Führung nur eine Dreierkoalition infrage. Das hat Bundeskanzler Nehammer bereits verkündet. Offen ließ er, ob er künftig zusätzlich zur SPÖ mit den Grünen oder NEOS zusammenarbeiten will.
Wie geht es jetzt weiter? Schon am Freitag trifft sich Nehammer mit dem SPÖ-Chef Andreas Babler. Von diesem Treffen sei nicht viel zu erwarten, erklärt Politikberater Thomas Hofer im Ö1-Morgenjournal. Die beiden würden "viele Rucksäcke" zu den Gesprächen mitnehmen: einen emotionalen (da der Präsident mit der Tradition, den Auftrag an die stimmenstärkste Partei zu geben, gebrochen hat), einen persönlichen (es gab einige Konflikte zwischen Babler und Nehammer) sowie – den schwersten – einen inhaltlichen Rucksack.
Die größte Aufgabe einer neuen Regierung sei es, die Stimmung im Land zu drehen, so Hofer. "Zwei Drittel sind der Meinung, dass Österreich in die falsche Richtung geht. Für alle Beteiligten wird das eine herkulische Aufgabe."
Weiters müsste man bereits bei Koalitionsverhandlungen fünf-sechs große Reformfelder definieren und diese glaubhaft an die Bevölkerung präsentieren. Gehe man es so an wie bei früheren Regierungen – Hofer nennt vor allem die ÖVP-SPÖ-Großkoalition ("mit nichts vor der Bevölkerung gestanden") – sei die Halbwertszeit "relativ gering".
Grundsätzlich gebe es eine "sehr, sehr große Wahrscheinlichkeit", dass eine Dreierregierung scheitert, erklärt Hofer mit Hinblick auf die "Ampel" in Deutschland. "Gerade für die ersten 100 Tage muss die neue Regierung ein großes Tempo vorgeben", rät der Experte, wobei "wahnsinnig große inhaltliche Differenzen" die Aufgabe nicht leichter machen.
Und selbst bei einer offensiven Erzählung sei nicht garantiert, dass die Politiker belohnt werden. Hofer bringt das Beispiel der Grünen, die zwar das Klimaministerium erhalten haben und dort auch einige Projekte umgesetzt hätten (siehe Klimaticket), es am Wahltag für die Partei dennoch ein großes Minus gab.